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LA „CONOSCENZA DI CANTO“

vom sängerischen „Wissensdurst“ und der Gesangslehre von Professoressa Loretta di Lelio-Corelli und Franco Corelli

Kommentierte Erfahrungen von Petra Wolf-Perraudin

1. “Was ich schon immer sagen wollte“…

Italienisches Repertoire so authentisch wie möglich und besonders gut zu singen, war für mich, besonders als deutsche Sängerin, immer erstrebenswert und bezüglich meines italophil-musikalischen Naturells ein besonderes Anliegen.
Schon in meinen Studienjahren fühlte ich mich der italienischen Opernliteratur näher als der deutschen, also musikalisch eher als „Italiana” denn als „Wagneriana”.

Jedoch scheint man in hiesigen Breiten als Sänger deutscher Abstammung auch zu deutschem Opernrepertoire verpflichtet zu sein. Diese Tatsache war in der Opernszene weit verbreitet und entsprach offenbar mehr einem „Verkaufs-Aspekt“ des Musik-Business als rational nachvollziehbar.
Schließlich gab es derart engmaschige Kategorisierungen in der Zuordnung Interpret – Repertoire – Nationalität nicht immer, nicht einmal bei der bevorzugten Sängerbesetzung des Opernkomponisten Verdi selbst. Denn die Lieblingssängerin des Komponisten Verdi war eine deutsche Sopranistin – Theresa Stolz. Verdi hatte dieser Sängerin seine größten Sopranpartien gewidmet.

In meinen intensiven Studienjahren hatte ich unzählige Belcanto-Opernabende aller Stilepochen an großen Häusern mit Starbesetzungen besucht, zahlreiche Aufführungen an der Hamburger Staatsoper, bei den Salzburger Festspielen noch unter Abbado, Sinopoli, Patané oder Karajan.
Auch fuhr ich zu einer Opern-Produktion von Ciléas Adriana Lecouvreur – einer meiner am meisten favorisierten Werke italienisch-veristischer Opernkomposition. Ein wahrlich musikalisches Sänger-„Fest“ – insbesondere des großen Sopranfachs und Spinto-Tenors – Teil des Pflicht-Repertoires jeden italienischen Opernsängers sowie aller italienischen Opernhäuser unabhängig von der Größe. In dieser wundervollen Musik steckt, ähnlich Macagnis Cavalleria, der Esprit der Kulturgeschichte und das Parfum der wundervollen Landschaft – der „dolcezza“ Italiens.
In Deutschland dagegen war Cileas Belcanto-Oper unbekannt und kaum auf den Spielplänen zu finden. So war es also kein Wunder, dass diese herrliche Opern-Premiere am Nationaltheater München mit den wunderbaren Protagonisten Margret Price und Neil Shicoff umgehend ausverkauft war.

Sooft es mir möglich war, gab ich dem Live-Erlebnis eines Opernbesuchs gegenüber der Wahl eines Ferienaufenthalts den Vorzug – Opern-Events mit exzellenten Belcanto-Sängern, ihrem herrlich überwältigenden Belcanto-Stimm-Kolorit und ihrer oft mitreißenden, emotionalen Energie ihrer darstellerischen Intensität.
Schön war es natürlich, wenn sich Ferien und Gesang miteinander verbinden ließen.

Mein Interesse galt der sängerischen Kapazität exzellenter Sänger-Profis, ihrer unabdingbaren qualitativen Präsenz von Stimme, Persönlichkeit, Darstellung und Leistungsfähigkeit.
Diese Erfahrungen bereicherten das Einschätzungsvermögen und den sängerischen Werte-Maßstab, im Rahmen des erweiterten „Horizonts“.
Das nuanciert-detaillierte Erleben, wie auch des Gesamt-Eindrucks dieses selten aufgeführten Opernwerks, war für ein vor-studiertes, trainiertes „Ohr“ wichtiger Erfahrungswert für die Regulierung des professionellen Einschätzungsvermögens.

Eine nuancierte, qualitativ und quantitativ angemessene Relativierung und kapazitäre Einschätzungsfähigkeit von Belcanto-Partien lernte ich erst später in den Berufsjahren aufgrund eigener Repertoire-Erfahrung kennen.
Das galt auch für die richtige Einschätzung und Bewertung des Repertoires, bestimmter „Höchstleistungs-Partien“ und Opern-Vorstellungen live im Bezug auf den physischen Anforderungsbedarf, der Relativierung des physischen Einsatzbedarfs.
Auch die Gegenüberstellung italienischer Opernsänger und nicht-italienischer im kritischen Hörvergleich ihrer vorhandenen Sänger-Eigenschaften führte zu einer interessanten Diskussion.

Erfahrungsgemäß waren italienische bzw. italienisch ausgebildete Sänger führend im Bezug auf:

    • Belcanto-Stimmeigenschaften
    • Stimmtimbres und Stimmfarben
    • Tonlagenausgleich
    • stimmlicher Flexibilität
    • spielerischer Beweglichkeit
    • dramatischer Aussagekraft
    • leidenschaftlicher Darstellung
    • physisches Engagement
    • tonlicher Expressivität
    • italienisches Opern-Repertoire

Vermittlung sängerischer Faszination
selbstverständlichen Umgang mit eigenen sängerischen Schwächen
Ganz anders verhielt es sich mit folgenden Eigenschaften, in denen andere Sängernationalitäten deutlich überzeugender waren:

    • in der Bewertung der sängerischen Konstitution
    • dem physischen Potential von Stimmanlage und Stimmqualität, die hinter der Klarheit des Tones und seiner Durchschlagskraft steht
    • der souveränen Leistungsfähigkeit mit einer konsequenten Stimmführung bzw. Stimmtechnik
    • alle stilistisch geforderten Stimmeigenschaften zugunsten des Repertoires,
    • sängerischer Intelligenz und Strategie,
    • Werktreue und Interpretations-Stilistik und
    • dem immerwährenden „Ausbügeln“ eigener Defizite

Eine Ideal -„Synthese der Tugenden“ aus beiden Gesangs-„Naturellen“ existierte nicht.

 

2. Was heißt hier „sängerisch fach-kompetent“?

Doch wie steht es hier mit der „gesunden“ Beurteilungsfähigkeit und detaillierten Einschätzungsfähigkeit des Sängerpotenzials, die eigentlich nur der Fachmann erarbeitet hat?

Ein „Schubladendenken“ sogenannter „kritischer Beurteiler“, ein scheinbares Fachurteil aus einseitiger, minimierter oder nicht-sängerischer Fach-Kompetenz heraus ist hier wenig hilfreich, nicht zielführend und eigentlich sinnlos, denn der klare Blick auf ein Ursache-Wirkungsprinzip bleibt hinter der eingeschränkten „Urteilskraft“ eines Vorurteils verborgen.

Leider ist jene notwendige Kompetenz für erlebte Relativierbarkeit künstlerischer Leistungen, die sich auf ausreichend Studium, Praxis und berufliches Erleben nachvollziehbar solide begründen lassen müsste, jedoch bei kategorisch vernichtenden Kritiker-Journalisten und intellektuell orientierten, „maßregelnden Bewertungs-Richtern”   n i c h t   vorauszusetzen.

Der soliden Einschätzungsfähigkeit von Sängerleistungen fehlt der eigene Erfahrungsschatz eines praktischen Erlernens und Umgangs, der beruflichen Praxis mit der Stimme und sich selbst, die eigene physische Erfahrung und Steuerung sängerischer Umsetzung von Ton-Produktion und Kommunikation mit dem Publikum im großen Raum.
Genannte Berufsgruppen, die eigentlich eine hohe Kompetenz von Umsetzungsfragen sängerischer Leistung zugunsten ausreichender Urteilskraft benötigen, sitzen jedoch – als rigorose Mitentscheider ohne unmittelbare Fach-Kenntnis – in Wettbewerbs-Jurys, Kulturressorts der Medien und in Theaterleitungen. Obendrein demonstrieren sie gern und häufig ein äußerst allürenhaftes Auftreten im übertriebenen Bewusstsein ihres, für die Sänger fatalen Machtpotenzials.

Ob in Wettbewerben, Buch-Herausgaben oder in den Medien … sie sind nur Laien, die über professionelle Leistungen auf rein geistiger Diskussions-Ebene urteilen – selbst-orientiert und selbst-gerecht, meist ohne Maß und Maßstab und hypothetisch, je nach eigenem, persönlichen Gutdünken und Geschmack.

Verdeckt und indirekt entscheiden sie über die Berufswege von Sängern, ihre Zukunft und Existenz – über Sängerleben, Leistungsergebnis oder „Stimm-Exitus“ – mit entsprechenden Fehl-Urteilen und Fehlern in der Einschätzung.
Und … egal ob beabsichtigt oder nicht … sie zerstören Sängerwege, vernichten Reputationen – mal eben durch ihre nicht ausreichend qualifizierten Aussagen.

Was machtvolle „Beurteilungs-Helden“ in ihrer „Zerstörungs-Wut“ allerdings immer wieder vergessen …
Sie hinterlassen in ihren destruktiven Aussagen auch ihr fach-bezogenes Indiz, einen Beweis ihrer Mangel-Kompetenz und eigenen fachlichen Disqualifizierung … und damit die Gewissheit, dass Halbwissen und Arroganz nicht reicht, um wahre Kompetenz fachlich glaubhaft zu machen und unter Beweis stellen zu können.

3. Beruf Opernsänger zwischen Motivation & Existenzfrage, Hochleistung & Sorgfaltspflicht

Für den Start auf seinem beruflichen Weg sollte der junge Opernsänger „gewappnet“ sein.  (Link)

Neben Stimme und Repertoire-Kenntnis gibt es notwendige Erfahrungswerte, die erst im Laufe vieler Berufsjahre bewusst oder an Wichtigkeit zunehmen, wichtige Erfahrungswerte, auf die man in Ausbildungszeiten nicht vorbereitet wurde und doch  kennen sollte:

  • „Vorbereitet-Sein“ empfohlen! Eigene Rechte kennen!

Für das Arbeitsfeld – Business – Theaterpolitik sollten „Menschenkenntnis“, allgemeine Erfahrungswerte und Kenntnis der eigenen Rechte innerhalb der vorgegebenen Rahmenbedingungen vorhanden sein.

Das gilt für:

  1. den Umgang mit einem bestimmten Menschenschlag von Musik-Business und Theaterwelt
  2. „unvorhersehbare Ereignisse“ in der Theaterpolitik bzw.
  3. die „Vorgehensweise“ ihrer Entscheider

Für die Berufspraxis benötigt der Sänger Widerstandskräfte, Ausdauer und „Biss“:

  • „Ein Leben für die Stimme“ ist im Sinne der Alltags-Planung, Lebensplanung, Lebenshaltung und -erhaltung sowie in der Frage nach Eigen-Toleranz von Gewohnheiten und in Ernährungsfragen wörtlich und ernst zu nehmen
  • Dauertraining und fortbildendes Studium sind angesagt. Die Arbeits-Intensität an der Stimme und sich selbst, dazu Stressausgleich und der Erhalt der psychischen Balance bedeutet Erhalt der physischen Kräfte, Prävention und „physische Sorgfaltspflicht“ – die Summe steht für ein langes Stimm- und Berufsleben.
  • Sportlich-kapazitäres Denken und physisches Abwägen ist hier für die künstlerische Arbeit unerlässlich.
  • Forderung praktischer Erfahrungsvielfalt im Bezug auf:
    1. Stimmeinsatz
    2. Relativierung und Einschätzung der physischen Kapazität
    3. Leistungsfragen des Repertoires
    4. Anforderungsbedingungen in Beruf, Genre, Engagement
  • Berufliche Begleitung eines kompetenten Stimm- und Gesanglehrers als verantwortungsbewusster Trainer und Berater mit einem kritisch-sensiblen „Ohr“ für das Wesentliche
  • Fachliche Detailarbeit – „Eintauchen“ mit kritischer Grundhaltung zugunsten wachsender Differenzierungsfähigkeit und Auseinandersetzung mit der Stimmleistung im Detail und für den eigenen Entwicklungsweg

 

In diesem Zusammenhang stellen sich auch Fragen nach dem Verhältnis qualitativ-physischen Einsatzes zum sängerischen Leistungsergebnis, die ohne detaillierte Stimm-Analyse und Gesangstechnik, ohne ein lang trainiertes, sensibilisiertes Gehör sowie fachlich-inhaltliches Studium nicht zu beantworten wären:

    • Was macht der Sänger wann und wie?
    • Was ist das Resultat von Stimmeinsatz und -wirkung in der Situation?
    • Was macht er anders und wie?
    • Welchen Modus hat die Gesangstechnik?
    • In welcher Form verbessert sie die sängerische Interpretation?

Die Erfahrungen zahlreicher Live-Erlebnisse internationaler Sänger an großen Theatern, das jahrzehnte-lange Studieren und lebenslange Lernen sowie die berufliche Sänger-Praxis hatten sängerisches Bewusstsein und stimm-qualitative Einschätzung schließlich zunehmend erweitert.
Nun, mit dem Wunsch nach einem geeigneten Lehrer (Link) für das italienische Repertoire, sollte es ein Vermittler sein, der sowohl fachlich-inhaltlich als auch mit der authentisch-praktischen Seite physischer Umsetzung vertraut sein musste, den kompetenten Stimm- oder Gesangslehrer.

Bereits seit Jahren mitten im Beruf hatte der Anspruch gegenüber der stimmlichen Leistung sowie gegenüber der Kompetenz eines verantwortungsvollen, erfahrenen Vermittlers entsprechend der differenzierten Hörerwartung einen anderen Stand gewonnen. Die Erwartungshaltung war hoch und konkret.

Der Lehrer für das italienische Repertoire sollte eine überzeugende, belcanto-erfahrene Lehrerkapazität sein.
Eine Zweifachqualifikation kam in dieser Hinsicht äußerst selten überzeugend vor – gleichzeitiges Sängersein also nicht Bedingung.
Das gewünschte Profil des gesuchten, zukünftigen Lehrers italienischer Schule – ob selber Sänger oder Inhaber einer angemessenen Biographie mit Kompetenz-Aussage – sollte wenigstens folgendes „Profil“ erfüllen:

    1. mit Inhalten überzeugen
    2. seinen Lehrmaßstab demonstrieren können und mit überzeugenden Beispielen bzw. mit Lehr-Erfolgen aufwarten
    3. im Falle des Sängerberufs einen hörbar funktionalen Anspruch „repräsentieren“ und
    4. durch Kontrolle seines eigenen Stimmeinsatzes auch in seinen Tönen das Vorhandensein einer guten Stimm-Technik hörbar werden lassen. Denn: Stimm-Kontrolle zeigt Kultur, Verantwortung und Achtsamkeit gegenüber sich selbst und der Stimme.
    1. Er sollte der „kontrapunktische Gegensatz“ zur verbreiteten „Stimmkiller“-Überzeugung eines „Hauptsache laut“ oder durch „rohes Forcieren“ „gepushter“, Atemdruck-angetriebener Töne sein, Modus und ihre Herstellungsweise genau identifizieren, eliminieren können sowie den Teilnehmer genau orientieren.
    2. Er sollte Vertreter und Kenner stimm-funktioneller bzw. physisch genauer Kenntnisse sein.
    3. Genre- und Repertoire-Sicherheit zeigen, sowie Sängerpraxis haben.
    4. Als Lehrer sollte er vertrauenswürdiger, verständnisvoller Ansprechpartner sowie konstruktiv stärkender Motivator sein. Die Suche nach einer vertrauenswürdigen Ergänzung für das italienische Opernfach, in passender Anbindung zu meinen bisherigen, sehr geschätzten Lehrern für das deutsche Opern-Fach, gestaltete sich schwieriger als erwartet. (Link)

4. Stimmerleben … absolut „über-irdisch“

Ein Sängerkollege und Kenner der italienischen Gesangskunst hatte 1989 ein Video – zwecks exemplarischer Demonstration eines Jahrhundert-Ereignisses der Belcanto-Gesangskunst – zum Hineinhören mitgebracht, in einer Situation kritisch-resignativer Erfahrungen unfassbarer Begebenheiten von Theater- und Stadtpolitik aktuell vor Ort.

Es handelte sich um einen analogen Live-Mitschnitt eines Konzertes in Tokyo – ein Analog-Video mit extrem schlechter visueller Qualität und auch der akustischen Aussteuerung ohne besonderen technischen Aufwand.
Dass diese erste “Video-Begegnung” schon bald zu einem meiner wesentlichsten künstlerischen Erlebnisse werden würde, war zu jenem Zeitpunkt weder denkbar noch absehbar.
Bekannt war der Name des Sängers, nicht aber der Gesang – meine Erwartungshaltung war daher eher indifferent zweifelnd und doch gespannt, ob der Sänger seinen angekündigten „Vorschuss-Lorbeeren“ wirklich entsprechen konnte.

Das Video traf also auf mein ausgeprägtes Stimmverständnis als junge Opernsängerin und Praktikerin – durch jahrelanges Studium, bühnen- und repertoireerfahren – auch mit italienischen Opernpartien.
Mit erster, kompetenter Belcanto-Schulung im Studium und hungrig nach möglichst authentischer Interpretation italienischen Opern-Repertoires, für das ich hauptsächlich nach Intendantenaussage engagiert wurde, kehrten sich die Engagement-Erfahrungen völlig erschreckend ins Gegenteil zu den musikalisch stil-immanenten Ausführungs-Gepflogenheiten italienischen Opern-Repertoires um.
Dort wurden Belcanto-Stilismen als „verhasst“ statuiert, nicht geduldet, und in Unkenntnis und Mangelverständnis selbst dem größten Könner regelrecht abgewöhnt und ausgetrieben.

Da war es nun, das Engagement, das schön geträumte italienisch-französische Opernrepertoire laut Intendanz, die gesanglich-stilistischen Vorstellungen des Belcanto-Repertoires der Sängerin und der krasse Widerspruch durch Maßregelung musikalischer Ausführung … einfach absurd, der Widerspruch in sich – dazu in der Art der Kommunikation und der menschliche Umgang unerträglich. Der Belcanto-Traum verpuffte, bevor er richtig beginnen konnte.

Aus dieser frustrierenden, bedauernswerten Situation heraus erhielt folgende musikalische „Video-Begegnung“ ihren besonderen Stellenwert: Es war … wie „ein Erweckt-Werden aus dem vermeintlichen Gestorben-Sein tief im Dornröschen-Jahrhundert-Schlaf“, ein Wieder-Aufgerichtet-Werden durch den lebens-erweckenden Auslöser eines weckenden Moments …, der „Zurück-ins-Sängerleben“ bedeutete“ – tränenreich und völlig irreal.

Allein das Hören weniger Takte mit geschlossenen Augen, reichten aus …, um aufzuhorchen, statt zu hören … und zu staunen, dass mehr als je erwartet, solche Töne möglich waren …

Was für ein besonderer Moment …

Ein Ausnahme-Sänger mit Namen und Ruhm, von dem ich so gut wie nichts gehört hatte.

Was für ein unverzeihliches Versäumnis eines Sängers dieser Güte und Qualität, eine Tenor-Stimme – unbeschreiblich und „wie von einem anderen Stern“ – die direkt ansprach und trösten konnte.

Nun folgte Neugier und Ungeduld … ich wollte wirklich genauer wissen, wer da sang, konnte nicht warten:
Es war die unvergleichliche Stimme des Spinto-Tenors im Italienisch-dramatischen Stimm-Fach von Franco Corelli. (Link)

Eine solche herrliche, vitale Stimme außergewöhnlicher Qualität, einer maßgeblichen Sängerpersönlichkeit von höchstem Rang, dazu ein dramatischer Tenor, im Besitz einer „Welt- und Jahrhundert-Stimme“ … diese Stimm-Qualität war extrem rar geworden, wenn es sie überhaupt noch gab.
Egal, ob der Hörer nun wollte oder nicht. Die faszinierende Wirkung dieser Stimme zog so in den Bann, dass sich der Zuhörer ganz unmerklich entrückt, andächtig schweigend und staunend wiederfand und erst aus dieser Trance durch den eigenen Atem wieder erwachte – und doch ein konzentriertes Erlebnis totaler Aufmerksamkeit und Wachheit.

Das unmittelbare, unerwartete Gesangserlebnis entstand durch seinen außergewöhnlich klaren, emotional direkt ansprechenden Ton, der sofort berührte … indem er ganz unmittelbar dem Hörer „die Tränen die Augen trieb“ …  vor lauter Begeisterung, Glücksgefühl und wunderbarem Musikempfinden.

Und mehr noch … dieses Video-Konzert-Erlebnis gab Kraft, erneuerte die sängerische Zuversicht und Hoffnung, mit dem Blick auf die Wertmaßstäbe höchsten Niveaus, Gesangskompetenz von Weltrang, auf stimmliche Maßstäbe, die für die Stimmausübung im Sängerberuf wirklich maßstäblich bedeutsam sind und sein sollten … und nicht zuletzt, wenn auch nur zu einem geringen Anteil, noch erlernt werden könnten.

Wer die Stimme Corellis nicht kannte, hatte wirklich etwas versäumt…

    • … der weiß weder, worum es beim Sänger geht, noch,
    • … was hohe Stimmqualität analog und live ultimativ einmal bedeutet hat und in jener Zeit zu leisten vermochte,
    • … welche Dimension und Wertmaßstab gesangs-geschichtlich einmal existiert hat und was stimmlich möglich war

Corellis Dimensionen sängerischer Fähigkeiten konnten für den Hörer und Studierenden eine angemessene Orientierung sein – für die Verhältnismäßigkeit und Wertmaßstäbe italienischer Gesangsdimension. (Link)

5. Franco Corelli – wahrhaftig ein Mega-Tenor (Link)

Die Stimme Corellis besaß qualitativ einfach alles, was für eine Italienisch-dramatische Tenorstimme wünschenswert ist – in höchster, unglaublicher Gesangs- und Tonqualität.

Sogar im Rahmen eines Live-Auftritts zeigte sich die Mühelosigkeit der strahlendsten Tenor-Töne in stupend hoher Tonlage – mit einem „Radius“ sängerischer Ausführungsmöglichkeiten aller denkbar möglichen Schwierigkeits-Zulagen und musikalischen Feinheiten in einer Live-Situation. Seine Stimm-Kapazität lag jenseits der allgemeinen sängerischen Vorstellungskraft.

Corellis Fähigkeiten hatten den Leistungsradius einer dramatischen Stimmanlage, eines italienischen, baritonal klingenden Spinto-Tenors.

Neben allen Belcanto-Eigenschaften werden viele Besonderheiten hörbar, die im allgemeinen in dieser Kombination nur selten bei Tenören zu finden sind:

    • die Tonqualität, Körpereinsatz, Stimmführung und Tonkontrolle haben immer Höchst-Qualität und in allen Nuancen feinste Dynamik
    • Tenor- Spitzen-Töne qualitativ makellos, quantitativ in unbegrenzter Häufigkeit und Länge vorhanden
    • Er bot fast stimm-akrobatische „Schwierigkeits-Zulagen“ jeder nur denkbaren Größenordnung wie:
      1. Fermatenbildung auf den Spitzentönen,
      2. extrem lange, feinst dynamisierte Schlusstöne,
      3. umfassende, scheinbar nicht enden wollende Atem-Bögen und
      4. alle Nuancen feinster Dynamik-Kultur
    • Tenor- Spitzen-Töne qualitativ makellos, quantitativ in unbegrenzter Häufigkeit und Länge vorhanden
    • Neben überzeugender Dramatik erhielt er sich die Palette lyrischer Interpretations-Eigenschaften z.B. eines konsequent durchgestützten „mezza voce“ oder dynamisierenden „messa di voce“, anstatt in ein körperloses   Falsett abzugleiten.
    • Meisterliche Varianz der Stimmfarben
    • Besondere Musikalität für wunderschöne musikalische Gestaltung
    • darstellerische Glaubwürdigkeit und Emotionalität

Die Dimension geforderter Atemkapazität und physischer Energie neben dem hohen Schwierigkeitsgrad musikalischer Feinheiten der auszuführenden Gesangs-Leistung bedeuteten für den Ausnahme- und Spinto-Tenor Franco Corelli bei dem beschriebenen Tokyo-Auftritt eine Extremsituation und Meisterleistung.

Nach unendlich vielen Stimmanalysen von Opernsängern im detaillierten Vergleich konnte kein Tenor ein ähnliches Leistungsspektrum aufweisen. (Link)

Corellis Töne waren von atemberaubender Überzeugungs- und Aussagekraft, makellos in den Extremlagen, dazu farbenreich bei flexibel modulierendem Stimm-Ausdruck, der in seiner persönlichen Botschaft und Ansprache „mitten ins Herz traf“ … einfach außerordentlich.

Die brillanten Töne, die Tonführung des „messa di voce“ und unendlichen langen Decrescendi auch noch in höchsten Tonlagen waren unvergleichlich.

Was bei dem Ausnahmesänger Corelli mit seiner analogen Sängerfähigkeit live für andere Profi-Sänger in der sängerischen Umsetzung nicht ausführbar schien, könnte man auch als eine Art gesangs-akrobatische Leistung einer Gesangsinterpretation bezeichnen.

Gemäß des Belcanto war Corellis Gesang selbstverständlich, unverkrampft leicht und wunderbar natürlich – in seiner makellosen Stimmführung seines Gesanges unerreicht.

Für eine junge Opernsängerin, die den täglichen, mühsamen Leistungskampf um Wirksamkeit, Leistungs-Niveau und Autheantizität auf der Bühne kannte, einfach eine atemberaubende, grandiose Leistung.

Seine außerordentliche, aussagekräftige Musikalität war verbunden mit überraschend bescheidener Performance natürlicher, alluren-freier Verhaltensweisen.

6. Zu den Besonderheiten des dramatischen Fachs

Im Allgemeinen sind bei jedem Menschen die einzelnen „Bausteine“ des Körpers in seiner Anatomie vorhanden – darunter Kehlkopf, Stimmlippen, Zwerchfell etc. – einmal abgesehen von geringen Varianzen des Individuums und Sonderfällen. Phänotypisch jedoch, ergeben sich individuelle Unterschiede der physischen Konstitution und das Erscheinungsbild.

Der Konstitutionstypus und die physische Anlage spiegeln sich auch in der Dimension der Stimme wieder, sodass individuelle Eigenschaften der Stimme physischen Dimensionen des Individuums zugeordnet werden können.

Der Konstitutionstyp und die Stimmanlage ist die Grundvoraussetzung für das Stimmfach.

Stimmklang, Stimm-Eigenschaften, Anatomie, Konstitution, Menschentyp und die Fähigkeiten individueller Umsetzung bestimmen die Zuordnung zum jeweiligen Stimmfach und das Opern-Stimmfach bezogen auf ein bestimmtes Repertoire bzw. die Besetzung einer Partie. Im Gegensatz zu allgemeinen Stimmeinordnung wie Stimmgattung und Timbre kann die sängerisch individuelle Anlage und Konstitution einem Stimmfach zugeordnet werden.

Jedes Opernfach, in Zuordnung zur entsprechenden Opernpartie also, besitzt sein fach-bezogenes „Anforderungsprofil“ im Rahmen der stimmlichen Eigenschaften und Umsetzung, Leistungsdimension und dem Modus der Ausführbarkeit, die der Sänger erfüllen muss.

Die dramatische Stimme benötigt, mehr als lyrische Stimmfächer, eine trainierte muskuläre Körperbereitschaft für einen energievolleren Einsatz bei überhöhten Anforderungen der physisch-kapazitären Verhältnisse zwischen Atem, Stützkraft, Körpereinsatz und Tonproduktion.

Beispielsweise würde eine dramatisch gelagerte Stimme anlagebedingt andere physische Grundvoraussetzungen mitbringen als beispielsweise eine lyrisch gelagerte oder eine leichte Koloraturstimme. Die Ausführbarkeit des beruflichen Anforderungsproflis und der spezifische Einsatz des Stimmfaches benötigt entsprechende Eigenschaften.

Die Dimension des dramatischen Stimmfachs fordert mehr Ton, hat eine Oberton-reiche Höhe, eine große Tessitura, sonst wäre der Sänger nicht zu den geforderten Dimensionen der Ausführung in der Lage. Dramatische Momente der Komposition fordern entsprechende Einsatzfähigkeiten der Stimme, die der gesamte Körper umsetzen muss.

Die dramatische Stimme benötigt, mehr als lyrische Stimmfächer, eine trainierte muskuläre Körperbereitschaft für einen energievolleren Einsatz bei überhöhten Anforderungen der physisch-kapazitären Verhältnisse zwischen Atem, Stützkraft, Körpereinsatz und Tonproduktion.

Oder auch im Detail betrachtet, benötigt der Leistungs- und Energieaufwand einer dramatischen Stimme beispielsweise, aufgrund des geforderten, kapazitären Aufwandes von Komposition, Instrumentierung, Rolle und Darstellung einen entsprechenden sängerischen Konstitutionstypus mit athletischen Eigenschaften der Muskelkapazität und sportiver Einsatzfähigkeit auch im Bezug auf die Tonbildung und Leistungsfähigkeit. Weiteres Rüstzeug bietet die Persönlichkeit, im Umgang mit Übung, Repertoire-Erarbeitung, den beruflichen Notwendigkeiten, der Sicherstellung der Trainingsdisziplin in der Erarbeitung der notwendigen Fertigkeiten, die zur Sicherung des Einsatzes grundlegende sind.

Für die Umsetzung von Repertoire und Fach steht die Forderung und Vorstellung des Komponisten in der Partitur oder in niedergeschriebenen Dokumenten im Vordergrund.

Hier muss der Sänger zur authentisch noten- und werkgetreuen Wiedergabe sängerischer Umsetzung stimmlich und physisch in der Lage sein – auf der Bühne, mit Orchester oder Instrument, in Repertoire und Genre.

Die Erfüllbarkeit dieser Bedingung ist Voraussetzung für die Praxis des fertig ausgebildeten Opernsänger-Profis überhaupt.

Wenn ein Sänger die physischen Voraussetzungen für das dramatische Stimmfach besäße, hieße dies nicht, dass er sofort als Berufsanfänger entsprechend beginnen kann. Häufig verläuft der Berufsanfang in einem Vorstadium, eines lyrischen Stimmfachs, das Zeit für Reifung und Weiterentwicklung zur Erweiterung der Stimmkondition möglich macht. Ein organisch langsamer Stimmaufbau wird die Stimme stabilisieren bis jene Dimensionen durch ein „Hineinwachsen“ erreicht sind, die das physisch beanspruchendere Profil des dramatischen Stimmfachs ohne ein Risiko kurzfristiger Folgeschädigung erfüllen kann. Diese Übergangszeit ist für manchen Stimmvertreter nicht immer leicht, da das lyrischere Repertoire auch besondere Anforderungen mit sich bringen, z.B. das Koloraturfach, das eine dramatisch-„robustere“ Stimmanlage nur zum Teil erfüllen kann.

Das dramatische Stimmfach zeigt sich in jungen Jahren nur selten stimm-entfaltet, recht behäbig und wenig timbriert, häufig nur mit einem Timbre-Fleck ausgestattet. Erst durch physisches Wachstum und Reifung, Kondition und Atemmuskeltraining sowie stimmlicher „Öffnung“ wird sich eine stimmliche Farbe und Einsatzweise ergeben, die mit dem Stadium zu Ausbildungs- oder Berufsbeginn nicht mehr vergleichbar ist. Diese Entwicklung verläuft im großen Bogen und ist äußerst spannend.

Häufig beginnt die dramatische Stimme im „juvenileren“ lyrischen Fach, nicht immer überzeugend und entwickelt sich dann mit zunehmender Reife und Training des Berufslebens in das Dramatische Fach hinein.

Das Stimmfach ist angelegt, also vorhanden und nicht antrainierbar.

Für die Umsetzung von Repertoire und Fach steht die Forderung und Vorstellung des Komponisten in der Partitur im Vordergrund.

Hier muss der Sänger zur authentisch noten- und werkgetreuen Wiedergabe sängerischer Umsetzung stimmlich und physisch in der Lage sein – auf der Bühne, mit Orchester oder Instrument, in Repertoire und Genre.

Die Erfüllbarkeit dieser Bedingung ist Voraussetzung für die Praxis des ausgebildeten Opernsänger-Profis überhaupt.

7. Besonderheiten des Ausnahme-Sängers Corelli. (Link)

Hinter dem außergewöhnlichen Künstler verbarg sich der sensible Mensch, dessen persönliches Auftreten nichts von Eitelkeit oder einer von Stolz-geschwollener Brust eines jungen Helden im italienisch-dramatischen Spinto-Tenorfach gemeinsam hatte.

Ein schlechter Stil schien bei Corelli undenkbar.

Ganz anders zeigten sich die vor Corelli erlebten Live-Auftritte dramatischer Tenöre oder Helden-Tenöre mit „schwellender Brust“ und Extrem-Arroganz – einmal ganz zu schweigen von der deplazierten Bekundung eines Bayreuth-Ereignisses, als der Helden-Tenor vor dem Schlussvorhang seinen Unmut mehrfach demonstrativ mit einem Stinkefinger kommunizierte, den er dem lautstarken Buh-Konzert seines enttäuschten Publikums provozierend entgegengestreckte.

Der Traum einer solchen Sängerkapazität als Lehrer … stand für mich damals natürlich nicht im Mindesten zur Diskussion – und wurde selbstkritisch als „unangemessen unrealistisch“ auf meiner „Festplatte des Vergessens abgelegt“.

Corellis Tenor war eine der herrlichsten Stimmen, die ich je gehört hatte, für mich eindeutig der einzige Sänger vom „Kaliber“ Carusos, der trotz außerordentlicher Legendenbildung sängerischer Qualität nicht annähernd so viele stimmliche und stimm-technische Positiv-Eigenschaften in seinen Live-Aufnahmen vergleichsweise zeigen konnte, wie es ein Corelli vermochte.

(In diesem Zusammenhang ist allerdings auch die Frage der viel früheren und noch primitiveren Aufnahmetechnik mit zu berücksichtigen, die kaum tonliche Varianz wiedergeben konnte.)

Wenn diese Fragestellung überhaupt Relevanz hat, dann gebührt Corelli eindeutig der „Ruf“ eines stimmlich ebenbürtigen Caruso-Nachfolgers – aufgrund seiner stupenden Sänger-Fähigkeiten, herrlichen Stimme und großen Leistungen.

Das Corelli-Konzert in Tokyo zeigte, dass der Auftritt nicht nur einzelne, sondern Massen in Bewegung zu setzen vermochte.

Sogar das zurückhaltende Naturell eines Japanischen Publikums, das dem Video zufolge offenbar zu Tausenden zum Konzert erschienen war, schien außer Rand und Band geraten und vor Begeisterung schier temperamentvoll zu explodieren.

Am Konzertende rastete das Publikum förmlich aus, was mit unendlich langen Ovationen seiner Fans eher an den tumultartigen Ausgang eines Fußball-Nationalspiels als an ein Opernkonzert erinnerte.

Das rasende japanische Publikum, taumelnd vor Glück, bot die weitere sensationelle Überraschung dieses Konzerteindruckes.

Kommentar:

Tatsächlich und bedauerlicherweise ist im Zusammenhang mit Franco Corelli unglaublich viel Inkompetentes geschrieben worden, das auf dem niedrigen Niveau einer aus der Unkenntnis destruktiven, sehr subjektiven Meinungsbildung heraus, produziert wurde – die Niemandem nützt.

Das Theoretisieren über einen individuell subjektiven, real nicht relativierbaren, sondern Mangel-Kompetenz aufweisenden Höreindruck lässt in diesem Zusammenhang – mit einer so extremen „Schieflage der Urteilsfähigkeit sängerischen Leistungsstandes“- nur den Rückschluss auf eine sehr eingeschränkte Perspektive bei äußerst geringem Hörvermögen zu.

Verdrängt, oft mutwillig verleugnet werden wichtige, grundlegende Aspekte, die eigentlich „im Sinne einer angeblich fundierten Experten-Einschätzung gegenüber einer realen, praktischen Sängerleistung“ doch auch besondere Glaubwürdigkeit bezeugen sollten.

Wenn ein Beurteilender sein nicht-fachmännisches Urteil uneingeschränkt als Realität verkauft und politisch unvertretbar, sich der Lächerlichkeit preisgegeben einsetzt, nennt man dies heute: „alternative Facts“, Lüge, ein Fake, die „unschönen“ Seiten der Politik, nicht vertretbare Manipulation oder auch die absurde Unverhältnismäßigkeit der Mittel.

Allen unethischen Handelns gemeinsam wäre hier die Notwendigkeit einer Schadensbegrenzung – eines dringenden, nutzenbringenden Korrekturbedarfs: Aufklärung, „Sich-Schlau-machen“, Kurswechsel und Widerruf – auch ein Austausch der „Unverantwortlichen“ wäre hier ein Mittel der Wahl.

Kurzer Zeitsprung von wenigen Monaten:

Eine Wiener Opern-Agentur unterbreitete mir im Frühjahr 1991 das Angebot der Vermittlung für das Projekt einer anstehenden Belcanto-Meisterklasse für junge, bereits engagierte Opernsänger, die einmalig im Sommer 1991 in Wien stattfinden sollte.
Als ich erfuhr, wer diese Meisterklasse leiten würde, konnte ich es kaum glauben. Franco Corelli, der sensationelle Tenor, eine Meisterklasse … Es gab kein Halten mehr, und ich habe sofort zugesagt.

Kurzentschlossen belegte ich einen Kompakt-Italienischkurs in Bologna, um eine der wichtigsten Teilnahmebedingungen – ausschließlich in italienischer Sprache! – zu erfüllen.

Sechs Wochen später war es dann soweit … Der Meisterkurs am Wiener Konservatorium mit Franco Corelli begann. Die Teilnehmer kamen aus allen Himmelsrichtungen, die meisten schon seit Jahren im Sängergeschäft.

Nach fünf öffentlichen Auditionsrunden vor einer Jury, ähnlich wie bei einem Wettbewerbs-Verfahren üblich, wurden die aktiven Teilnehmer bekannt gegeben.

Im Einzelunterricht wurde dann drei Wochen lang hart und intensiv gearbeitet – erst bei Professoressa Loretta di Lelio, italienische Sopranistin, Belcanto-Spezialistin und hervorragende Pädagogin … dann bei Franco Corelli – beide „auf einer Linie” mit Vocalizzi, Esercizi … und gelegentlich auch eine Korrepetition der Arien.

Das Meisterklassen-Finale: ein großes ORF-Abschlusskonzert im Kawai-Saal, zu dem VIPs wie u.a. Placido Domingo, geladen wurden.

Doch zurück zum Fachlich-Inhaltlichen:

An dieser Stelle möchte ich einen wesentlichen Irrtum richtig stellen.

Nach deutscher Lehrmeinung ist der Belcanto ein Gesangsstil, den man als Interpretationsstil je nach Belieben erlernen und einsetzen kann …

(Link)
Aus Erfahrung jedoch weiß ich, dass eine “italienische Gesangstechnik” erlernt werden muss, die entsprechende Voraussetzungen für die Stimme schafft, z.B. durch die Herausbildung eines körperreichen Stimmklangs, der Koordination von Stimme und Atem, was erst die Kunst der Linie und weichen Stimmführung großer Bögen ermöglicht.

Und nur durch ein sehr gut trainiertes Zwerchfell kann die stimmliche Führung koordiniert, sowie die Verbindung von Dramatik und Beweglichkeit auch im Sinne eines „messa di voce“ stimmlich herstellt werden.

Die Fähigkeit für die Ausführung des Belcanto-­Gesangs wiederum ist abhängig von der Gesangsschule, die den Stimmsitz und die physische Koordination erarbeitet.

Darüber hinaus die Lehre des italienischen Interpretationsstils mit dem Bewegungsverhalten der Sprechwerkzeuge, der Kehlposition und der Atemführung, die der Italiener für die wichtigste Grundlage guter Stimmführung hält.

Dem Irrglauben, die Umsetzbarkeit des Belcanto wäre abhängig von der Nationalität oder gar genetisch bedingt, möchte ich widersprechen, denn anatomisch innerhalb derselben Gattung Mensch entstammen Italiener und Nordeuropäer auch dem gleichen “westlichen Kulturkreis”. Ein erlebbarer Unterschied liegt im sprachlichen Habitus, im jeweils regionalen Sprechverhalten, was unterschiedliche muskuläre Voraussetzungen in Sprechverhalten, Muskelarbeit und Tonmodulation schafft. Diese unterschiedlichen Einflüsse physisch habitueller Voraussetzungen im Bezug auf eine muskuläre Grundhaltung sind bei einem effizienten, guten Stimmaufbau unbedingt zu berücksichtigen.

Wie es der Student bereits innerhalb der Lehrinstitutionen „im Kleinen“ erfahren konnte, gibt es Unterschiede in der fachlichen Auffassung bzw. in den methodischen und ästhetischen Ansichten der Lehrmeinung.

Diese existierenden Unterschiede der Stimmschulen im Vergleich verändern sich und wachsen entsprechend ihrer geographischen Distanz und Lage – ganz besonders innerhalb des Nord-Südgefälles.

8. Wesentlich für das Erarbeiten des Belcanto-„Rüstzeugs”:

Der Weg zur Erlangung der italienischen Gesangstechnik benötigte Jahre jener stimmlichen Neuorganisation, wofür diese Meisterklasse lediglich der Auftakt sein konnte … jedoch der Auftakt einer großen Erfüllung.

Dazu kam das Begreifen, dass dieses Studium aus Leidenschaft, erst mit beiden Maestri, später ausschließlich mit Signora di Lelio-Corelli, ein wirklich umfassender und wichtiger Erkenntnis-Weg für das allgemein sängerische und gesangs-pädagogische Know-how sein würde. (Link)

Die Umstellung der neuen italienischen „Technik” bedurfte ein paar Jahre der Studienzeit auf den vielfältigen Ebenen sängerischen Bewusstseins, der Atem-Koordination mit Zwerchfell-Arbeit, Kehle und Muskeln.

Danach … wurde alles gesanglich leichter, selbstverständlicher, subtiler und präsenter.
Es war meine dritte, diesmal rein aus meiner Überzeugung heraus, mehrjährig erarbeitete und konsequent trainierte Gesangstechnik – in der ich große Erfüllung fand und die mich sängerisch wieder glücklich machte.
Diese Zeit hatte mein Leben verändert – der intensive, freundschaftlich zugewandte und nahe Kontakt zu den „Maestri“, sowie die Fortbildung in Milano, meiner „musikalischen Heimat”, wurden selbstverständlich.

Den größten Teil meiner neu gewonnenen Fähigkeit zur künstlerischen Umsetzung des Belcanto verdanke ich vor allem der hervorragenden gesangs-praktischen und gesangs-pädagogischen Kompetenz von Professoressa Loretta di Lelio-Corelli.

Ihre fachlich umfassenden Kenntnisse konnten in besonderer Weise auf einer langen, familiären Gesangs- und Belcanto-Lehr-Tradition fußen und „zurückgreifen“.
Seit dem persönlichen Angebot der Corellis am Ende der intensiven Zusammenarbeit während der Meisterklasse in Wien, die Belcanto-Studien mit ihnen fortzusetzen – einer großen Ehre und Anerkennung zugleich – begann für mich zwischen 1991 und 2011 die erfüllendste Phase musikalischer Zusammenarbeit im Verbindung mit fortbildenden Vocal-Coachings und Hospitationen in direktem, persönlich verbundenen Kontakt …

Ich danke beiden Corellis sehr und möchte keinen der wertvollen Momente missen!

Ich habe unendlich viel gelernt … Wunderbares erlebt und das Wesentliche erkannt!

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