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elcanto: Geschichte – Entwicklung – Rahmenbedingungen

Belcanto… heißt italienisch “Schön-Gesang”

… und steht für die stilistische Entwicklungslinie des italienischen Kunstgesangs in unmittelbarem Zusammenhang mit der Geschichte und Stil-Entwicklung der italienischen Oper im Bezug auf Ausführungsweise und stimm- und klang-ästhetischen Eigenschaften des entsprechenden Gesangsrepertoires.

Allgemein entstand der italienische Kunstgesang:
1. aus den liedhaften Vorläufern des 14./15. Jhrdt.
2. und der Weiterentwicklung des “stile nuovo” des 16./17. Jhrdt..

I. Als im ‚Seicento’ die Melodik erwacht …

Um 1600 existiert In Italien die ‚Monodie’ ein Gesang mit sparsamer Instrumentalbegleitung. Es ist die neue Art der Musikausübung neben einfacher Mehrstimmigkeit.
Seit dem 16. Jhrdt bestimmte eine Belcanto-Komposition der Einsatz der Melodik.

In der Jahrhundertwende des 16./17. Jhrdt. werden in Gesangskomposition und -Interpretation Forderungen einer „poetica della meraviglia“ laut, der in einerVerwunderung heftigen und mitreißenden Gefühlsäußerung“ liegt.

Der „Grundstein“ für die Italienische Oper und das Belcanto-Zeitalter „ist gelegt“.

II. Im ‚Settecento’: Das Musiktheater beeinflusst den Gesangsstil im 17.Jhrdt

Im Barock-Zeitalter

… wird die Melodik des Gesanges nach einer vorherigen Phase sprachlich dominierender Rezitation zur führenden Ausdrucksform. Die musikalische Gattung der Oper entsteht.

Zur Zeit des Hochbarocks gründeten sich nacheinander – an verschiedenen Orten Italiens in Florenz, Rom, Venedig und Neapel – wichtige Zentren kompositorischen und ausübenden Vokal-Schaffens, die sich gegenseitig beeinflussten. Die Schulen Venedigs und Neapels waren führend.

1.  Die Florentiner Camerata bei Pietro della Valle 1640 in Florenz fanden sich erste virtuose  Gesangs-Passagen bei den Komponisten Peri und Caccini.

Gleichzeitig fordert der Künstlerkreis um Graf Bardi in Florenz mehr Gefühlsausdruck in den Kompositionen alt-italienischer Arien von Rossi und Caldara u.a.

2.  Die Römische Schule fordert für die Italienische Oper emotionale Kraft der Melodie, erste Koloraturen und einen dramatischen Vortragsstil. Dieser gilt als Vorläufer eines viel späteren Opernstils – des Verismo des 20. Jhrdt.

3.  Die Venezianische Schule entstand in Venedig aus Einflüssen der römischen Schule und ihren Komponisten-Vertretern: Claudio Monteverdi, Cavalli, Cesti, Steffani u.a. mit ersten dramatischen Arien und ihren ariosen Elementen im Wechsel mit einer deklamatorischen Ausdruckskraft.

Die Venezianische Camerata, führt Tradition des Gesangsstils der venezianischen Schule nach Claudio Monteverdi fort mit weiteren Neuerungen:

Der Kompositionsstil führt die Anfänge neuen Gesangsstils der Florentiner Camerata, jenes Künstler- und Philosophenkreises beim Grafen de Bardi, fort. Nach ersten Opernkompositionen in deklamatorischem Stil mit wenig Melodik und textlich-rhythmischem Schwerpunkt entwickelt sich die Melodik in der Kirchenmusik und in den folgenden Opernkompositionen der Zeit weiter. Der venezianischen Schule erwuchsen die Meister der alt-italienischen Arien.

4.  Die Neapolitanische Schule mit ihren fortschrittlichen Komponisten lassen die Opernkomposition zu einer vollwertigen Musikgattung reifen, der opera seria mit einer neuen Stilistik:

    • erstmalig ist die Oper ein gegliedertes Musik-Opus auf einem Drama der Dichtkunst meist von Metastasio
    • Das Werk erhält eine Gliederung mit Ouvertüre, Rezitativen und Da-capo-Arie
    • Gefordert ist ein Gesangsstil, des manieristischen Ziergesangs mit Koloraturen des canto fiorito, des blumigen Gesangs. Dieser besteht aus Koloraturen eines extrem ausgeschmückten, manieristischen und virtuosen Ziergesangs, der vom Sänger improvisatorischen Einfallsreichtum sowie eine spezielle, nahezu akrobatische     Gesangstechnik voraussetzte. Dieser Gesangsstil bestand vom 17.-19. Jhrdt.
    • Es gab Rollen-Besetzungen, vor allem mit Kastraten, die als Meister des Koloraturgesangs angesehen wurden. Diese verfügten, durch die physische Manipulation zugunsten des damaligen Gesangs-Ideals, über stimmlich-klangliche und atem-konstitutionelle Eigenschaften, die zu der Zeit einem “göttlichen” Gesangs-Ideal gleichkamen
    • Kompositorisch entstand die Affektenlehre.
    • Die Komponisten-Vertreter sind Scarlatti, Vinci, Leo, Porpora, Hasse

Zum Gesangsmodus:

Ende 17., Anfang 18. Jhrdt definiert der italienische Komponist Jacopo Galuppi den musikalischen Modus der Gesangsästhetik, … der in erster Linie der charmanten, einfachen und schönen Melodie verpflichtet ist, mit einer klaren durchsichtigen Begleitung, die genügend Raum für Virtuosität und Emotion lässt.”
Später führte er aus: Dabei seien die wichtigsten Elemente guter Musik: “Anmut, Klarheit, gute Modulation”.
Dies waren ästhetisch-stilistische Forderungen der Gesangsausübung,
die auch für den Belcanto-Verismo gültig blieben, jedoch ohne Koloraturen – im Sinne einer „Trend-Kehrtwende“ zurück zur Gluckschen Reform Mitte des 18. Jhrdt..

Fazit:

Auf den „Erneuerungswegen“ des Italienischen Kunstgesangs hin zu Dramatik und Emotion und einer neuen Ausführungsstilistik des Gesanges entstand die musikalische Gattung der Italienischen Oper in Neapel mit neuen Inhalten und musikalischen Anforderungen. Die Entwicklung des gesanglichen Stilmodus Belcanto entwickelte sich mit der Italienischen Oper und ihrer Zeitgeschichte.

III. Belcanto im Ottocento – 18. Jhrdt. –
die Hochblüte der Opera seria

Im 18.Jhrdt befindet sich der Gesangsstil zwischen 1810-1850 in der Hochphase.

Die Italienische Oper des Ottocento – ihre Besonderheiten und Stilistik:

    • große Arien der opera seria
    • Virtuose Kadenzen, akrobatische Koloraturen, Fiorituren / Verzierungen
    • Gründung der Gesangsschulen von Pistocchi, Porpora, Bernacchi
    • Komponisten der opera seria des “Ottocento” (18. Jrhdt)
      bis zur Opernreform Glucks:
      Bononcini, Galluppi, Cimarosa, Porpora, Alessandro Scarlatti, Vivaldi, A. Corelli, Johann Adolf Hasse, Jommelli, Sacchini, Traetta, Piccini

Die musikgeschichtlichen Strömungen und ihre stilistisch teilweise exzessiven Stil-Veränderungen für Opernwerk und Gesang vollzogen sich in den folgenden Jahrhunderten wellenartig – im Kommen und Gehen von Zeitströmung und Nachfrage, mit dem Wechsel der „modischen Trends“ und des populären Bedarfs mit Auswirkungen auf die Auftragslage der Opern-Komposition und den Ausführungsstil. Nahezu gesetzmäßig funktionierten die Entwicklungen der Stile und ihre Regulierung durch die Nachfrage. Nach einer Hochphase kam die Beruhigung, was sich auch im musikalischen Stil der Opern-Komposition und Gesangs-Interpretation widerspiegelte.

Mitte des 18. Jhrdts. folgt ein neuer Wendepunkt zur Schlichtheit.

Gluck, Opern-Reformer und Kämpfer unter den Komponisten, führt 1774 – 1780 mit einer Stilwende eine Gegenbewegung auf allen Ebenen des Musiktheaters herbei, mit neuen Stil-Mitteln der Komposition, Interpretation, Gesangsmodus und Belcanto-Stilistik.
Als Anhänger der neapolitanischen Schule des Settecento fordert Gluck mehr Schlichtheit, mehr Dramatik des Ausdrucks, weniger Koloraturen, mehr Rezitativ, mehr Handlung, Aussage, Drama, Wortgültigkeit und Wortpoesie.

Erst nach der Hochblüte des virtuosen Belcanto-Zeitalters der Koloratur im 18. Jhrdt. taucht mit Gluck erstmalig „Belcanto“ als ein Begriff auf – mit der Entwicklung der italienischen Oper im Wandel und der Entwicklung ihrer gesanglichen Ausdrucksmittel, ihrer Interpretation und stilistischen Forderungen.

Der „neue“ Kompositionsstil Glucks:

    • zurück zu einem natürlicheren, schlichteren Gesangs-Stil ohne Koloraturen
    • große, melodisch-ariose Bögen
    • Arien mit dramatischerer Aussagekraft
    • realistischer Ausdruck und
    • auskomponierte, „echte“ Emotion

Hier war eine Belcanto-Gesangstechnik zur stilsicheren Ausführung gefordert, die die gewünschte Stimm-, Klang- und Interpretations-Eigenschaften im Sinne der traditionellen Gesangs-Schule Neapels des Settecento optimal erfüllen kann.

IV. Das Novecento bringt stilistische Varianz

“Belcanto” steht am Anfang des Novecento für eine stilistische Bezeichnung gesanglicher und stimmlicher Ideale des Gesangs in Abhängigkeit von Feinheiten der kompositions-typischen Charakteristika:

1.  bei Rossini stil-immanent anknüpfend an das 18 Jhrdt.:

der Gesangsstil des belcanto rossiniane – agil, spielerisch, modulierend, flexibel

2.  bei Bellini, Donizetti: Eine Melodielinie, die über einer einfachen Begleitung in großen Bögen verläuft und z.B. bei Wiederholungen einzelner Abschnitte mehr und mehr expressiv verziert wird.

Sängerische Schluss-Kadenzen werden mit bewegten Linien „koloriert“, die an eine Koloratur erinnern lassen.

3.  bei Puccini: modulationsfähig, weich, emotionale Farben der Zerbrechlichkeit und Verwundbarkeit

4.  bei Verdi im Übergang zum Verismo:

    Der Belcanto verdiane ist – wieder ein mehr natürlich melodischer Gesangsstil, dem Stile Glucks ähnlich – d.h. auskomponiert und ohne improvisatorische Reminiszenzen einer Koloratur.

     

     

    V. Anfang des 20. Jhrdts. – Belcanto ist ein wichtiger Teil des Verismo-Stils

      •  malerische Schilderung der Schauplätze und Natur, naturalistische Darstellung der grausamen Wirklichkeit des Schicksals
      • dramatische Schicksale der Protagonisten mit leidenschaftlich affektivem Handeln der Personen
      • die Dramatik rückt in den Vordergrund
      • weitgespannte Melodik
      • raffinierte Orchestration
      • Bekannte Belcanto-Komponisten des 20. Jhrdt. – des “Verismo”:

    Leoncavallo, Mascagni, Giordano, Ciléa, Catalani, d’Albert u.v.a.

     

    Der Belcanto verismo – die Dramatik der echten Emotion ist ähnlich dem Belcanto verdiane nur in großen Melodiebögen der Arien und ariosen Passagen belcantisitsch ausführbar.
    Die gesangliche Interpretation der naturalistischen Dramatik in der Darstellung von Affekten wie Schluchzen, Weinen, Seufzen, Schreie – expressivste Dramatik macht den Erhalt der Gesangslinie im Sinne einer konsequenten Belcanto-Gesangsinterpretation zu einer großen Herausforderung der Gesangstechnik und den Erhalt der physischen Kontrolle des Sängers, was nun einmal für das Durchstehen großer, dramatischer Partien notwendig ist! Link…